Amtsgericht Neu-Ulm
28.04.2025

Entschlossener Einsatz der bayerischen Justiz im Kampf gegen Antisemitismus / 938 neue Ermittlungsverfahren und 237 Verurteilungen im Jahr 2024 wegen antisemitisch motivierter Straftaten / Justizminister Eisenreich: "Jeder Fall ist einer zu viel. Der Rechtsstaat muss klare Grenzen setzen und Jüdinnen und Juden schützen."

Entschlossener Einsatz der bayerischen Staatsanwaltschaften gegen antisemitisch motivierte Straftaten: Zwischen 2021 und 2024 haben sie insgesamt 3.192 Verfahren neu eingeleitet und 739 gerichtliche Verurteilungen erreicht. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich: "Deutschland und die Welt erleben nach dem 7. Oktober 2023 die schlimmste Welle von Antisemitismus seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Es ist unsere Verantwortung, dass sich Jüdinnen und Juden in Bayern sicher fühlen können. Die bayerische Justiz führt den Kampf gegen antisemitisch motivierte Straftaten konsequent. Allein im Jahr 2024 gab es bayernweit 938 neue Ermittlungsverfahren und 237 Verurteilungen."

In 516 Fällen ermittelten die Staatsanwaltschaften im Jahr 2024 wegen Volksverhetzung und Gewaltdarstellungen (§§ 130, 131 Strafgesetzbuch [StGB]), in 236 Fällen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 86a StGB). Neben 74 neu eingeleiteter Ermittlungsverfahren wegen Beleidigungs-Straftaten gab es 21 neue Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung. Eisenreich: "Jeder Fall ist einer zu viel. Der Rechtsstaat muss klare Grenzen setzen und Jüdinnen und Juden schützen. Wer den Terror der Hamas bejubelt, verhöhnt das Leiden der Opfer auf unerträgliche Weise und bereitet den Nährboden für Gewalt."

Polizei und Staatsanwaltschaften schreiten bei jedem Anfangsverdacht von Straftaten wie Volksverhetzung oder der Billigung von Straftaten ein. Wer die Parole "From the river to the sea" verwendet, muss nach Auffassung der bayerischen Staatsanwaltschaften mit Ermittlungen rechnen. Das Verbreiten bzw. öffentliche Verwenden dieser Parole etwa über soziale Medien wie Facebook oder TikTok begründet einen Anfangsverdacht des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Das Amtsgericht Sonthofen wie auch das Amtsgericht Fürstenfeldbruck haben deswegen bereits Angeklagte verurteilt. Es sind die bundesweit ersten Entscheidungen, die rechtskräftig wurden. Bislang gibt es in Bayern etwa 20 Verfahren wegen Verwendens der Hamas-Parole "From the river to the sea". Zwischen dem 7. Oktober 2023 bis Ende 2024 wurden in Bayern insgesamt 418 Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Terror-Angriff der Hamas eingeleitet.

Staatsminister Eisenreich: "Mir ist es ein persönliches Anliegen, dass sich Jüdinnen und Juden in Bayern sicher fühlen können. Judenhass gibt es an den Rändern, in der Mitte der Gesellschaft und unter Zuwanderern. Der Kampf gegen Antisemitismus ist eine Daueraufgabe, der wir uns in der bayerischen Justiz Tag für Tag stellen. Ich danke dem Zentralen Antisemitismus-Beauftragten der bayerischen Justiz, Oberstaatsanwalt stV Andreas Franck, und den 22 bayerischen Staatsanwaltschaften für ihren engagierten Einsatz im Kampf gegen Antisemitismus."

Hinweis: Am heutigen Vormittag veröffentlicht RIAS Bayern (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern) den Jahresbericht Antisemitische Vorfälle in Bayern 2024.

Hintergrund: Das Maßnahmenbündel gegen antisemitisch motivierte Straftaten

Die bayerische Justiz geht mit einem Bündel an Maßnahmen gegen antisemitisch motivierte Straftaten vor und hat ihre Strukturen frühzeitig gestärkt.

  • 2018 wurden drei Antisemitismus-Beauftragte der bayerischen Justiz bei den drei Generalstaatsanwaltschaften München, Nürnberg und Bamberg eingesetzt.

  • Ende des Jahres 2021 wurden bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften Ansprechpartner Antisemitismus etabliert. Seit Oktober 2021 hat die bayerische Justiz daneben einen Zentralen Antisemitismus-Beauftragten, der bei der Generalstaatsanwaltschaft München, Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) zentral für ganz Bayern angesiedelt ist.

  • Nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 koordinierte der Zentrale Antisemitismus-Beauftragte mit den drei Antisemitismus-Beauftragten und den Ansprechpartnern Antisemitismus, wie strafrechtlich mit den Aktionen antiisraelischer Akteure (digital wie analog) umzugehen ist. Wer die Parole "From the river to the sea" verwendet, muss nach Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft München in Bayern mit Ermittlungen rechnen. Ausschlaggebend war, dass das Bundesinnenministerium die Parole als Kennzeichen der Hamas eingestuft hat. Ob die jeweilige Äußerung einen Straftatbestand erfüllt, entscheiden die Gerichte in richterlicher Unabhängigkeit.

  • Auf Initiative Bayerns hat sich die Justizministerkonferenz im Frühjahr 2022 dafür eingesetzt, die Strukturen und die Vernetzung der Länderjustiz im Kampf gegen Antisemitismus weiter zu verstärken. Zum Schutz des jüdischen Lebens in Deutschland sollen die Länder prüfen, Antisemitismus-Beauftragte bei den (General-)Staatsanwaltschaften oder vergleichbare Strukturen zu etablieren.

  • Im Januar 2020 wurde Deutschlands erster Hate-Speech-Beauftragter vom bayerischen Justizminister bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München zentral für ganz Bayern bestellt. Parallel dazu wurden Sonderdezernate für die Bekämpfung von strafbarer Hate Speech bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften eingerichtet. Zur effektiven Bekämpfung von strafbarer Hate Speech müssen den Opfern möglichst niedrigschwellige Möglichkeiten zur Erstattung einer Strafanzeige zur Verfügung stehen. Daher hat das bayerische Justizministerium spezielle Online-Meldeverfahren für Online-Straftaten mit verschiedenen Kooperationspartnern eingerichtet. Für Online-Straftaten mit antisemitischem Hintergrund hat die bayerische Justiz ein Online-Meldeverfahren mit der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern (RIAS) etabliert.

  • Damit antisemitische Motive nicht im Dunkeln bleiben, haben die drei Antisemitismus-Beauftragten der bayerischen Generalstaatsanwaltschaften einen Leitfaden für Staatsanwälte entwickelt. Mit dem auch international beachteten Leitfaden können antisemitische Motive leichter entschlüsselt werden (z. B. anhand von Nazi-Jahrestagen oder Codes).

  • Bayern hat als erstes Bundesland in Deutschland die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) angenommen.

  • Von Seiten der Justiz wurde gemeinsam mit der Bayerischen Polizei eine Informationskarte für Geschädigte von Hasskriminalität, insbesondere Antisemitismus, erstellt, welche bayernweit, insbesondere an jüdische Haushalte verteilt wurde. Durch diese sollen Geschädigte von antisemitisch motivierten Straftaten zur Anzeigeerstattung ermutigt werden. Zudem sollen Hilfsangebote unterbreitet werden.

  • Auf der zentralen Landingpage www.bayern-gegen-hass.de stehen Bürgerinnen und Bürgern in Bayern Links und Informationen zu allen Angeboten der Staatsregierung rund um das Thema Hate Speech zur Verfügung.

  • Bayern hat sich rechtspolitisch in Berlin eingesetzt: Eine judenfeindliche Motivation wird im Gesetz ausdrücklich als strafschärfendes Tatmerkmal genannt. Die Bundesregierung hat den Vorschlag des Freistaats im Jahr 2021 aufgegriffen (§ 46 Absatz 2 StGB). Eisenreich: "Unser bayerischer Vorschlag zur Ergänzung der Strafzumessungsregel in § 46 des Strafgesetzbuches um 'antisemitische' Beweggründe wurde eins zu eins übernommen. Das ist ein klares Signal gegen Judenfeindlichkeit und Ausgrenzung."

  • Im April 2023 trat das Justizministerium dem Bayerischen Bündnis für Toleranz bei. Eisenreich: "Das Bayerische Bündnis für Toleranz tritt für den Schutz von Demokratie und Menschenwürde ein. Hierzu leistet es insbesondere durch die Organisation von Veranstaltungen zu Rechtsextremismus und Antisemitismus einen wichtigen Beitrag. Mit unserem Beitritt zum Bündnis vernetzen wir uns weiter im Kampf gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus."

  • Bayern setzt sich seit der Entkriminalisierung der "Sympathiewerbung" für terroristische Vereinigungen im Jahr 2002 auf Bundesebene für eine Wiedereinführung der früheren Regelung ein, u. a. durch Anträge im Bundesrat und Schreiben an den Bundesjustizminister. Am 24. November 2023 hat Bayern einen entsprechenden Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht.

  • Bei Aktionstagen Antisemitismus von Polizei und Justiz kam es am 21. November 2023 bayernweit zu 17 und am 12. November 2024 zu 18 Hausdurchsuchungen.

  • Bayern setzt sich mit Nachdruck dafür ein, die großen Online-Plattformen zum Melden und Löschen strafbarer Inhalte zu verpflichten. Deshalb hat die Justizministerkonferenz den Bund auf Initiative Bayerns mehrfach aufgefordert, die rechtlichen Vorgaben dringend in diesen zwei Punkten nachzubessern.

  • Kooperation mit MAKKABI Deutschland. Zum Schutz jüdischer Sportlerinnen und Sportler hat die bayerische Justiz im November 2024 eine Kooperation mit dem jüdischen Dachsportverband in Deutschland zur Meldung von Straftaten auf dem Sportplatz geschlossen.

Dauerausstellung Weiße Rose Saal

Ihren Mut zur Freiheit haben die Geschwister Scholl und vier ihrer Freunde mit dem Leben bezahlt. Wohin es führen kann, wenn die Dritte Gewalt im Staate ihre Unabhängigkeit verliert, zeigt die Dauerausstellung Willkür "Im Namen des Deutschen Volkes".


Weitere Infos finden Sie hier

Wussten Sie eigentlich …?

… dass die Fachgerichtsbarkeiten, d.h. die Verwaltungs-, Arbeits-, Sozial- und Finanzgerichte in Bayern nicht zum Justizressort, sondern zum Geschäftsbereich der jeweiligen Fachministerien gehören?